Für Stoffe, die früher nicht nachweisbar waren, können mit der heutigen Analytik geringste Konzentrationen bestimmt werden. Das ist kein Grund zur Besorgnis, sondern Anlass zur bedachten Abwägung. Dazu gehört das zuverlässige Ermitteln potentieller Schadwirkungen und die Vermeidung problematischer Stoffeinträge, aber auch die Beantwortung der Frage, wie Verbraucher mit ihrem Verhalten Einfluss nehmen können. Obgleich nicht der Verursacher, stellt sich die Wasserwirtschaft – trink- wie abwasserseitig – dieser Herausforderung. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil Wasserschutz Gesundheitsschutz darstellt und anzunehmen ist, dass diese Stoffe im Mikro- und Nanogramm-pro-Liter-Bereich nicht von heute auf morgen von den Gewässern ferngehalten werden können.
Dafür sorgen unter anderem folgende Entwicklungen:
a) Die Arzneimittelmenge steigt mit dem Konsum, der im Zuge des demographischen Wan-
dels durch eine höhere Lebenserwartung zu erwarten ist. Ein Beispiel: die Medikamen-
tentagesdosis bei 20 bis 24-jährigen Männern liegt durchschnittlich bei 56 pro Jahr, bei
Männern ab 60 Jahre steigt diese fast auf das Zwölffache (649);
b) neue Entwicklungen der Pharmabranche zur Krankheitsbekämpfung steigern den Eintrag
potentieller Mikroschadstoffe in neuen Medikamenten;
c) die existenziellen Bedarfe und vermeintlich wichtigen Bedürfnisse der Verbraucher in al-
len Bereichen des Lebens wachsen und damit auch der Erfindungsreichtum der Unter-
nehmen für erwünschte Eigenschaften von Produkten; so gelangen immer neue
Substanzen an den
Markt und ggf. in den Natur- und Wasserkreislauf, deren
Umweltauswirkungen noch
nicht oder nur unvollständig bekannt sind.
Die Erforschung, Zulassung, Verwendung, Behandlung und Nachverfolgung sowie ggf. Reg- lementierung oder das Verbot von Stoffen mit potenzieller Schadwirkung ist eine ständige Herausforderung, die den Dialog zwischen den Akteuren erfordert. Dieser Dialog zwischen Politik, Verursacherbranchen, wie bspw. der Pharma-, Chemie- oder Agrarindustrie, der Wasserwirtschaft und letztlich auch den Verbrauchern muss im öffentlichen Raum geführt werden. Schließlich sind in einer fairen Balance die Interessenlagen aller Akteure im Dialog abzuwägen. Ein solcher Dialog braucht Fakten, Offenheit, Kommunikations- und Verände- rungsbereitschaft sowie nicht zuletzt Zeit.